1999 gab sich der Bundesrat ein Leitbild für die Finanzpolitik. Es soll durch Zusammenführen anerkannter Grundsätze Leitplanken für die Finanzpolitik des Bundes setzen. Die Leitplanken dienen der Steuerung der finanzpolitischen Alltagsentscheide und liefern eine konzeptionelle Basis für zukunftsweisende Weichenstellungen. Das Finanzleitbild schafft Transparenz darüber, ob und wie einzelne Beschlüsse mit den finanzpolitischen Grundsätzen übereinstimmen und verdeutlicht gegebenenfalls den Preis, der für unkoordinierte, aber populäre Insellösungen zu bezahlen wäre.
Damit ist das Finanzleitbild ein Führungsinstrument des Bundesrats: Es weist Exekutive und Verwaltung bei finanzpolitischen Entscheiden die Richtung, nimmt aber sachpolitische Zielsetzungen des Bundes nicht vorweg, denn die Kompetenzen und Rechte von Parlament und Volk bleiben unangetastet.
Das Finanzleitbild von 1999 nennt insbesondere:
- zwei Zielvorgaben, nämlich Stabilität und Wachstum der Wirtschaft sowie gesunde öffentliche Finanzen. Sie werden durch insgesamt sieben Unterziele konkretisiert.
- 23 Grundsätze, die sich um folgende fünf Themen gruppieren: Transparenz, Ausgabenpolitik, Besteuerung, Haushaltsanierung und Budget.
Die Finanzpolitik ist kein Selbstzweck, sondern trägt zur Erfüllung der gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Ziele bei. Oberstes Ziel des Bundes ist die Förderung der gemeinsamen Wohlfahrt. Daraus leiten sich wirtschaftspolitischen Ziele ab, die in allokations-, verteilungs- und stabilitätspolitische Ziele unterschieden werden können.
Gemäss Allokationsziel sind die öffentlichen Mittel so einzusetzen, dass die durch den Staat bereitgestellten Güter und Dienste die Bedürfnisse der Bürger bestmöglich befriedigen. Dabei unterstellt man gemeinhin, dass der Markt effizient arbeitet und strebt daher soweit möglich Marktlösungen an. Dem Allokationsziel widersprechende Eingriffe werden erwogen, wenn der Markt seine Aufgabe nicht erfüllt.
Durch die Gestaltung von Einnahmen und Ausgaben kann der Staat versuchen, die Einkommens- und Vermögensverteilung zu korrigieren, die sich aus dem Wirken der Marktkräfte ergibt. Er formuliert dazu Verteilungsziele. Der Entscheid darüber, was als «gerecht» gelten soll, kann nur auf politischem Weg gefällt werden. Aufgabe der Finanzpolitik ist es, auf die Kosten alternativer Verteilungsziele hinzuweisen und die wirksamsten und effizientesten Massnahmen zum Erreichen beschlossener Lösungen vorzuschlagen.
Mit der Formulierung eines Stabilisierungsziels strebt der Staat die Glättung von Wachstumsschwankungen an. Dabei hat er eine volle Auslastung des volkswirtschaftlichen Produktionspotentials im Auge. Der Bund steuert seine Ausgaben und Einnahmen grundsätzlich so, dass die Ausschläge der Wirtschaftsaktivität gedämpft, zumindest aber nicht verstärkt werden. Deshalb können sich bei einem Wirtschaftsabschwung Rechnungsdefizite einstellen, womit auch das Problem der Staatsverschuldung angeschnitten ist.
Zwischen verschiedenen Zielen können Konflikte entstehen. Das bedeutet, dass sich nicht alle Ziele gleichzeitig und vollständig erreichen lassen. Man umgeht Zielkonflikte, wenn man für jedes Ziel ein eigenes Instrument bereitstellt.
Das Finanzleitbild des Bundesrats formuliert zwei konkrete Zielvorgaben:
- Die Finanzpolitik soll für Stabilität sorgen und das Wirtschaftswachstum begünstigen. Sie soll damit die Beschäftigung, die Wohlfahrt und den gesellschaftlichen Zusammenhalt fördern. Das Leitbild konkretisiert diese Zielvorgabe durch vier Unterziele, nämlich wachstumsfreundliche Finanzpolitik; im OECD-Vergleich tiefe Steuer-, Fiskal- und Staatsquote; keine Behinderung des wirtschaftlichen Strukturwandels; die Finanzpolitik strebt eine Verstetigung des Wirtschaftswachstums an und dient auf diese Weise dem sozialen Frieden und der politischen Stabilität.
- Der Bund sorgt für die Erhaltung gesunder öffentlicher Finanzen, damit die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen Ziele dauerhaft erfüllt werden können. Im Leitbild konkretisieren die folgenden drei Unterziele diese Zielvorgabe:
– Ausgleich des Budgets über einen Konjunkturzyklus;
– Beseitigung des strukturellen Haushaltsdefizits;
– Senkung der Verschuldungsquote des Bundes auf ein nachhaltiges Mass.