Was mit den Bundesschulden passiert, wenn die Zinsen steigen

22.04.2022

Der Bund hat Schulden von fast 110 Milliarden Franken, rund 75 Milliarden davon sind Schulden am Geld- und Kapitalmarkt. In den vergangenen beiden Jahren sind diese Marktschulden als Folge der Pandemie erstmals seit mehr als zehn Jahren wieder gestiegen. Das Interesse der Investoren an Eidgenössischen Anleihen ist ungebrochen.

Die anhaltende Corona-Pandemie belastete auch im Jahr 2021 den Bundeshaushalt stark und führte zu einem hohen Finanzierungsbedarf des Bundes. Um diesen zu decken, erhöhte die Eidgenossenschaft ihre Emissionstätigkeit markant, wie im neuen Tätigkeitsbericht der Bundestresorerie nachzulesen ist. Das bedeutet: Sie nahm mehr Geld am Kapitalmarkt auf, was die langfristigen Marktschulden des Bundes ansteigen liess – und zwar erstmals seit über einem Jahrzehnt.

Geld- und Kapitalmarktschulden (Mrd. CHF)

2020, im ersten Pandemiejahr, hatte der Bund seinen Finanzierungsbedarf noch anders decken können: Er baute liquide Mittel ab und nahm darüber hinaus kurzfristige Schulden am Geldmarkt auf (Laufzeit bis maximal ein Jahr). Das ist ein typisches Vorgehen bei Krisensituationen: staatliche Schuldenverwaltungen erhöhen zunächst die kurzfristigen Schulden, die relativ rasch und günstig aufgenommen werden können. Die damit verbundenen Zinsänderungs- und Refinanzierungsrisiken werden in einer späteren Konsolidierungsphase durch eine Umschichtung des Schuldenportfolios adressiert. Obwohl die finanziellen Auswirkungen der Pandemie noch nicht ausgestanden sind, hat der Bund die Konsolidierungs- und Übergangsphase eingeleitet und die Schulden teilweise bereits umgeschichtet.

Nachfrage verdoppelt

Wer hat beim Bund den Überblick über diese Riesensummen? Zu welchem Zinssatz wird wieviel Geld beschafft? Zuständig dafür, dass der Bund immer genug flüssige Mittel hat und zu den bestmöglichen Konditionen Geld aufnimmt, ist die Bundestresorerie. Diese Abteilung der Eidgenössischen Finanzverwaltung muss aufgrund des gemeldeten Bedarfs der Bundesverwaltung die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellen. Die Eidgenossenschaft gilt dabei als sehr gute Schuldnerin und hat keine Schwierigkeiten, Geld aufzunehmen. Das zeigt sich beispielsweise an der Nachfrage: Legte der Bund im vergangenen Jahr eine Anleihe zur Auktion auf, betrug die durchschnittliche Nachfrage rund 403 Millionen Franken. Das ist spürbar mehr als im Vorjahr und sogar fast doppelt so hoch wie noch vor der Pandemie (2019: 214 Mio.). Auch die Anzahl der Teilnehmer sowie die Anzahl der berücksichtigten Bieter pro Auktion hat im vergangenen Jahr spürbar zugenommen. Das zeugt von einer ungeminderten Attraktivität der Eidgenössischen Anleihen bei den Investoren.

Investorenbasis der «Eidgenossen»

Das geht soweit, dass die Investoren dem Bund sogar etwas zahlen, um ihm Geld leihen zu dürfen – Stichwort Negativzinsen. Die durchschnittliche Emissionsrendite einer Anleihe lag 2021 mit -0,21 Prozent zum dritten Mal in Folge im negativen Bereich. Das tiefe Zinsniveau führte auch dazu, dass die Zinsausgaben des Bundes trotz einer Zunahme der Kapitalmarktschulden auch insgesamt weiterhin abnehmen: In den letzten 10 Jahren nahmen diese Ausgaben kontinuierlich von rund 2,5 Milliarden auf weniger als 1 Milliarde ab.

Zinswende wirkt sich nur verzögert aus

Trotz der kürzeren Laufzeiten der Emissionen im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie weist die Schweiz im internationalen Vergleich weiterhin eine überdurchschnittliche Zinsbindung und einen hohen Anteil an Emissionen mit einer Restlaufzeit von über 15 Jahren aus. Damit ist die Schweiz nur vergleichsweise niedrigen Zinsänderungsrisiken ausgesetzt. Das bedeutet, dass sich eine Zinswende mit grösserer Verzögerung auf den Schuldendienst des Bundes auswirkt und der Bundeshaushalt damit kurz- und mittelfristig vor höheren Zinsen geschützt ist.

Zinsbindung Staatsanleihen im internationalen Vergleich

Was bringt das laufende Jahr in Sachen Schuldenverwaltung? Auch wenn das Ende der Corona-Pandemie näher rückt und dadurch viele ausserordentliche Massnahmen sukzessive abgebaut werden dürften, belastet die Pandemie auch 2022 den Bundeshaushalt. Gemäss aktueller Planung müssen im laufenden Jahr knapp 8 Milliarden am Geld- und Kapitalmarkt beschafft werden. Gemäss dem im Dezember publizierten Emissionsprogramm sollen 2022 Anleihen im Umfang von nominell 6 Milliarden Franken ausgegeben werden. Damit dürften sich die Kapitalmarktschulden des Bundes erneut leicht um 2,5 Milliarden Franken erhöhen.

Gleichzeitig sind die Zinsen am Steigen, und entsprechend wird die Emissionstätigkeit anspruchsvoller. Aufgrund der anziehenden Inflation in vielen westlichen Industriestaaten haben die wichtigsten Zentralbanken eine restriktivere Geldpolitik angekündigt und teilweise bereits mit ersten Zinsschritten reagiert. Die Zinsen haben in den vergangenen Wochen und Monaten bereits kräftig zugelegt. Der Einfluss auf den Bundeshaushalt dürfte aber beschränkt bleiben – der überdurchschnittlichen Zinsbindung sei Dank.

Mehr Informationen: Tätigkeitsbericht der Bundestresorerie 2021

Letzte Änderung 13.09.2023

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