Langfristperspektiven: Wie sich Alterung und Klimaschutz auf die öffentlichen Finanzen auswirken

23.04.2024

Wie entwickeln sich die Finanzen von Bund, Kantonen, Gemeinden und Sozialversicherungen auf lange Sicht? Der Bericht «Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen der Schweiz 2024» zeigt, dass die öffentlichen Haushalte bis ins Jahr 2060 zunehmend unter Druck geraten werden. Im Fokus stehen dabei die Auswirkungen des demografischen Wandels. Der Bericht schätzt zudem erstmals die langfristigen finanziellen Auswirkungen von Klimaschutzmassnahmen zum Erreichen des Netto-Null-Ziels ab.

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Beim Bund zeichnen sich in den kommenden Jahren strukturelle Defizite von bis zu 4 Milliarden Franken ab. In solch herausfordernden Zeiten ist es besonders wichtig, finanzpolitische Entscheide auch mit Blick auf die möglichen langfristigen Entwicklungen vorzubereiten. Eine Grundlage dafür liefert der Bericht «Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen der Schweiz 2024» (PDF, 3 MB, 23.04.2024). Darin wird die langfristige Entwicklung der öffentlichen Finanzen aller Staatsebenen unter verschiedenen Annahmen bis ins Jahr 2060 projiziert. Zwei prägende strukturelle Entwicklungen, die Alterung und der Klimawandel, stehen dabei im Vordergrund. Beide Politikbereiche werden für die öffentlichen Haushalte mittel- bis langfristig grosse Herausforderungen darstellen, wobei die Projektionen auf umfangreichen Annahmen basieren und zwangsläufig mit Unsicherheiten verbunden sind.

Demografischer Wandel beeinflusst öffentliche Finanzen

Entwickeln sich Wirtschaft und Demografie wie angenommen, zeigen die Projektionen, dass die demografieabhängigen Ausgaben von 17,2 Prozent des Bruttoinlandprodukts (BIP) auf 19,8 Prozent des BIP bis 2060 zunehmen. Wenn keine Reformen vorgenommen werden, würden die Schulden der öffentlichen Hand dadurch von derzeit 27 auf 48 Prozent des BIP steigen. Der Reformbedarf ist dabei beim Bund (inklusive Sozialversicherungen) und bei den Kantonen ausgeprägt. Während beim Bund insbesondere die Ausgaben für die AHV eine Herausforderung darstellen, dies umso mehr nach der Annahme der Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente, geraten die Kantonsfinanzen vor allem bei den Gesundheitsausgaben stärker unter Druck.

Erste quantitative Schätzung zu Auswirkungen von Klimaschutzmassnahmen

Die Schweiz hat sich mit dem Bundesgesetz über die Ziele im Klimaschutz, die Innovation und die Stärkung der Energiesicherheit (KIG) gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Treibhausgasemissionen bis 2050 auf Netto-Null zu senken. Eine Pilotstudie im Rahmen der aktuellen Ausgabe der Langfristperspektiven projiziert zum ersten Mal die Zusatzlasten der Ausweitung der Klimaschutzmassnahmen für die öffentlichen Haushalte. Die Kosten des Klimawandels selbst und jene der Anpassungsmassnahmen konnten aufgrund noch unzureichender Datengrundlagen nicht quantifiziert werden. Der Nutzen des Klimaschutzes in Form von vermiedener klimabedingter Schäden und die damit verbundenen Kosteneinsparungen bleiben daher bisher unberücksichtigt. Die Betrachtung bleibt damit vorerst einseitig auf die Kosten der Klimapolitik beschränkt.

Unter den getroffenen Annahmen zeigen die Projektionen, dass der Weg zu Netto-Null vor allem den Bund und die Sozialversicherungen finanziell belasten wird. Dies, weil Klimaschutzmassnahmen das Wirtschaftswachstum dämpfen und damit auch das Wachstum der öffentlichen Einnahmen. Die Elektrifizierung des Verkehrssektors führt zudem zu wegfallenden Einnahmen aus der Mineralölsteuer und der Leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe (LSVA). In der Studie wird jedoch davon ausgegangen, dass diese durch Ersatzabgaben kompensiert werden können. Ein verstärkter Einsatz von Subventionen in der Klimapolitik erhöht den Druck auf die öffentlichen Finanzen zusätzlich. Im Jahr 2060 würde die Schuldenquote des Gesamtstaats je nach Politikszenario um 8 bis 11 Prozentpunkte höher liegen als ohne Klimaschutzmassnahmen. Obwohl bisher international und für die Schweiz noch keine belastbaren Schätzungen dazu vorliegen, ist sich die Wissenschaft einig, dass die Kosten des Klimawandels für die öffentlichen Haushalte deutlich höher ausfallen werden als die Kosten der Klimaschutzmassnahmen.

Projektionen, keine Prognosen

Die «Langfristperspektiven der öffentlichen Finanzen» erscheinen seit 2008. Die darin enthaltenen Berechnungen und Aussagen beruhen auf «wenn-dann»-Aussagen und sind Projektionen, keine Prognosen. Die Methodik für die Analyse der Auswirkungen der Alterung auf die öffentlichen Finanzen lehnt sich an die Vorgehensweise der Europäischen Kommission, der OECD und des Internationalen Währungsfonds an. Da die demografischen und wirtschaftlichen Entwicklungen mit grossen Unsicherheiten behaftet sind, wird dabei mit verschiedenen Szenarien gearbeitet. Dabei wird auch davon ausgegangen, dass die Fiskalregeln, inklusive der Schuldenbremse des Bundes, nicht greifen. Dies um den finanzpolitischen Handlungsbedarf zu verdeutlichen.

Die Analyse zu den Auswirkungen der Klimaschutzmassnahmen zum Erreichen des Netto-Null-Ziels auf die öffentlichen Finanzen hat Pilotcharakter. Die Schweiz ist weltweit eines der ersten Länder, die eine derartige Schätzung durchführen. Eine international breit etablierte Vorgehensweise existiert daher noch nicht.

Letzte Änderung 23.04.2024

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